Ungarn: Die gespaltene Gesellschaft

Seit dem überwältigenden Wahlsieg der rechtskonservativen FIDESZ-Partei im Frühling 2010 ist die politische Entwicklung Ungarns Dauerthema in den deutschen Medien. Viele Journalisten sind sich einig, dass Ministerpräsident Viktor Orbán – ermächtigt durch seine Zweidrittelmehrheit im Parlament – die Demokratie inzwischen nahezu abgeschafft hat. „Puszta-Putin“ titelte Die Welt, „Feind der Demokratie“ fand die Süddeutsche Zeitung. Die Ursachen für diese Entwicklung werden jedoch selten thematisiert. Meist vermittelt sich das Bild eines spontan entgleisten Landes, dessen Rechtsruck vollkommen überraschend eintrat. Aber warum haben die Ungarn Viktor Orbán gewählt? Und warum werden sie ihn bei den Parlamentswahlen im April 2014 aller Voraussicht nach wieder wählen?

Am 25. April 2011 unterzeichnete Ministerpräsident Viktor Orbán eine neue ungarische Verfassung, in deren Präambel sich das ungarische Volk zum Christentum und zur Tradition der „heiligen Krone“ bekennt.  Er tat dies trotz anhaltender Proteste der Opposition, die er aufgrund der Zweidrittelmehrheit seiner Partei im Parlament nicht berücksichtigen musste. Die von Orbán als Legitimationsgrundlage immer wieder beschworene „Revolution an den Urnen“ ermöglichte seiner nationalkonservativen Partei FIDESZ einen radikalen Umbau des Landes, der bis heute vor keiner gesellschaftlichen Sphäre halt macht und in seiner Radikalität innerhalb der Europäischen Union beispiellos ist.

Ungarn-Fidesz-Anh Nger in Ungarn: Die gespaltene Gesellschaft

Nachdem die Regierung ein Gesetz verab-schiedet hatte, das es ermöglicht, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes innerhalb von vierund-zwanzig Stunden ohne Begründung zu entlassen, rollte eine Entlassungswelle über das Land. In Verwaltung, Schulen, Universitäten und kulturellen Einrichtungen wurden die Mitarbeiter entlassen und durch FIDESZ-Anhänger ersetzt. Der FIDESZ schränkte die Macht des Verfassungsgerichtes ein, verabschiedete ein restriktives Mediengesetz und machte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Regierungssender.

Die Rhetorik des Ministerpräsidenten gegenüber der Europäischen Union war selbstbewusst bis martialisch. „Wir lassen uns nichts diktieren (…), denn Brüssel ist nicht Moskau“, sagt er zum Beispiel in Anspielung darauf, dass Ungarn bis 1989 von der Sowjetunion kontrolliert wurde. Es kam zu heftigen Debatten im Europäischen Parlament und einigen Vertragsverletzungs-verfahren gegen Ungarn,  die Viktor Orbán durch sein Einlenken beendete. Zudem verfolgte der ungarische Premier eine ungewöhnliche Wirtschafts-politik. Beispielsweise besteuerte er multinationale Konzerne und Banken. Im Sommer 2013 zahlte die FIDESZ-Regierung Ungarns Schulden beim IWF zurück und legte der internationalen Organisation nahe, das Land zu verlassen.

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