«Ich bin hier und kämpfe»

Ein Reformer mit Visionen: der ungarische Dirigent Iván Fischer, hier in Berlin.

Demnächst tritt das Budapest Festival Orchestra beim Lucerne Festival auf, später kommt es für eine Tournee in die Schweiz. Sein Gründer und Leiter Iván Fischer erzählt.

Was waren Ihre Absichten, als Sie 1983 das Budapest Festival Orchestra gegründet haben?

Vielleicht bin ich einer, der Reformen anstrebt, der immer neue Wege sucht, weil er mit dem Üblichen unzufrieden ist. Damals, vor dreissig Jahren, fand ich, dass mit der Einrichtung des Sinfonieorchesters etwas nicht in Ordnung ist. Als sehr junger Dirigent konnte ich mit den allerbesten Orchestern arbeiten, ich bin auch viel gereist, aber ich habe mich nicht wohl gefühlt dabei. Kunst, hatte ich das Gefühl, muss man woanders suchen, nicht in dieser Welt von Scheinwerten und snobistischen Haltungen, in der es auf der einen Seite um die Erhaltung von Arbeitsstellen, auf der anderen um die sozialen Interessen des Publikums geht. Ich wünschte mir ein Orchester, bei dem es nur um Musik geht, nicht ums Geschäft und nicht um Gewerkschaften. Wichtig war mir, dass die individuelle Kreativität des Musikers wach bleibt. Stellen Sie sich vor, Sie sind Geiger, studieren irgendwo im Konservatorium und spielen Solokonzerte. Dabei wird von Ihnen Persönlichkeit erwartet, Kreativität, eine eigene Meinung. Und nun kommen Sie ins Orchester, haben eine Stelle hinter dem fünften Pult, und nichts von all dem ist mehr gefragt, Sie müssen nur dem Dirigenten oder dem Konzertmeister folgen und den Mund halten. Das macht die Lust am Musizieren kaputt. Darum habe ich ein Reformorchester mit veränderten Regeln gegründet.

NeueZürcherZeitung

 

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