Mephisto wird zum Ungarn

In diesen Tagen endet die Intendanz des liberalen, weltoffenen Róbert Alföldi am ungarischen Nationaltheater in Budapest. Auf ihn folgt Attila Vidnyánszky, der Wunschkandidat der nationalkonservativen Regierung. Die Ungarn haben zu achtzig Prozent rechte Parteien in ihr Parlament gewählt. Als Berater der Kommission, die den neuen Intendanten wählt, war Vidnyánszky nicht unerheblich an seiner eigenen Berufung beteiligt. Dass wir fassungslos sind über die kulturpolitischen Vorgänge in Budapest und uns fragen, welche Zukunft die liberale, alternative Kunst in Ungarn hat, schrieb ich gemeinsam mit einem Kollegen vom Schauspiel Frankfurt an Alföldi in einer Mail, mit der Bitte um ein Gespräch und um eine Gelegenheit, seine seit Monaten ausverkaufte Inszenierung des „Mephisto“ von Ariane Mnouchkine (nach dem Roman von Klaus Mann) anschauen zu dürfen.

Mephisto am Nationaltheater (National Theater) in Budapest
© Judit Horváth
Ich will doch nur Karriere bei der Rechten machen: Klaus Manns und Ariane Mnouchkines „Mephisto“, gespielt von András Stohl, wirkt im Budapester Nationaltheater nicht wie ein Stück über Gründgens, sondern als Parabel auf Ungarns Gegenwart.

Das ungarische Nationaltheater steht direkt an der Donau. Vom Restaurant im sechsten Stock hat man einen schönen Blick auf das andere Ufer. Aber die Fenster des Restaurants sind klein. Man muss auf die Terrasse treten, um weit sehen zu können. Dort stehen die Schauspieler, die wir gerade in „Mephisto“ gesehen haben, unter ihnen Róbert Alföldi. Die Atmosphäre hier oben ist familiär, obwohl der Raum an eine Hotel-Lobby erinnert. Eine Bar mit Tresen, verschiedene Sitzgruppen, ein Flachbildfernseher.

Frankfurter Allgemeine

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