Ungarn: Autoritarismus und Antisemitismus – zwei Seiten einer Medaille

Mit Viktor Orbáns Regierungsantritt 2010 nahmen die antisemitischen Übergriffe in Ungarn deutlich zu. Scheinbar distanziert sich der Premierminister regelmäßig von solchen Vorfällen, wie jüngst in seiner Gastrede beim Jüdischen Weltkongress in Budapest. Jedoch hat der Anstieg des Antisemitismus auch etwas mit dem von ihm betriebenen autoritären Umbau des Landes zu tun.

Als Viktor Orbán 2002 aus der Regierung gewählt wurde, gab er bekannt, dass die in seiner Partei Fidesz verkörperte Nation nicht in der Opposition sein könne. Schon das war ein Vorgeschmack auf sein wenig demokratisches Verständnis, das nach seinem erneuten Wahlsieg von 2010 deutlich werden sollte. Mit 53 Prozent der Stimmen errang Fidesz zusammen mit der christdemokratischen KDNP eine Zweidrittelmehrheit im ungarischen Parlament. Orbán rief kurzerhand eine „nationale Revolution“ aus, die sich als grundlegender Systemwechsel entpuppte, um den ungarischen Staat gänzlich auf ihn und seine Partei zuzuschneiden.

Gute Miene zum bösen Spiel –Viktor Orbán mit Herman Van Rompuy. Der Antisemitismus in Ungarn nimmt zu, Viktor Orbán ist Teil des Problems, versucht dies aber vor der Weltgemeinschaft und insbesondere der EU zu verschleiern. © President of the European Council

Mit der ab 2012 in Kraft getretenen Verfassung – von der vor der Wahl keine Rede war – verfolgt Orbán das Ziel, seine Macht unabhängig von künftigen Wahlausgängen zu zementieren, wie der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller in seinem Essay Wo Europa endet. Ungarn, Brüssel und das Schicksal der liberalen Demokratie darstellt: Orbáns „Strategien zielen nicht auf einen offenen autoritären ‚Führerstaat‘, aber doch auf eine hochzentralisierte, in Teilen illiberale Demokratie, die das Gefüge von checks and balances systematisch unterminiert, die Medien einschüchtert oder de facto direkt kontrolliert, die Zivilgesellschaft schwächt – und die es zumindest sehr wahrscheinlich macht, dass Fidesz bis auf Weiteres Wahlen gewinnt.“ Die Fidesz will also nicht nur regieren, sondern den Staat in Gänze erobern.

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