Die Ungarn und die “bösen anderen”

Budapest. Welcher Ungar kennt die Situation nicht: In einer Runde wird die gerade aktuelle Krise erörtert, schließlich herrscht in Ungarn fast immer Krisenstimmung. Nach besserwisserischen Suaden, hitzigen Wortgefechten und schrillen Übertreibungen enden die Diskussionen in vielen Fällen mit der unheilschwangeren Konklusion: „Dahinter stecken sicher die Juden!“

Der Grund: Die Juden werden von vielen Magyaren als verschworene Gemeinschaft wahrgenommen, die dunkle Absichten verfolge und in der Welt das Sagen habe – sei es in der Wirtschaft, in der Politik oder im Kulturleben.

Verschwörungstheorien seien in Ungarn seit jeher populär, erklärt der Politologe Péter Krekó. Doch warum sind solche Theorien gerade für die Ungarn so anziehend? Ihr größter Vorteil liege darin, so Krekó, dass sie bequeme Antworten auf schwer erklärbare, unerwartete und schockierende Ereignisse böten. Bequem seien sie, weil sie die „Feinde“ benennen würden. „Mithilfe von Verschwörungstheorien können wir die Sichtweise aufrechterhalten, dass die Welt im Grunde gerecht sei. Nur die bösen anderen sind dann dafür verantwortlich, dass den guten Menschen Schlimmes widerfährt“, erläutert der Politologe.

DiePresse

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