Chaos im Kultur- und Medienbereich in Ungarn

Eine “Akademie der Künste” in Ungarn soll zum zentralen Verwaltungsorgan für die Fidesz-Staatskultur werden, auch wenn ihr greiser Chef gerade wieder durch eine antisemitische Äußerung und Anklänge an “entartete Kunst” auffiel. Doch nicht allen gefällt diese Gleichschaltung, es gibt leise Proteste und erste Austritte. Auch ein Ex-Minister Orbáns hat genug und verlässt das staatliche Fernsehen.

Der Chefredakteur der Kulturabteilung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks (Holding), MTVA, Zoltán Rockenbauer (Foto rechts), ist von seinem Posten zurückgetreten. Er gab “schwerwiegende” Meinungsverschiedenheiten mit seinen Vorgesetzten an, es sei unmöglich, seinem kulturellen Auftrag nachzukommen. Gerade eben wieder wurden einige weitere Hundert Mitarbeiter entlassen, der Kahlschlag in den Kulturredaktionen war dabei besonders gründlich. MTVA hingegen sprach von “einvernehmlicher Trennung”, die man “bedauere” und man “dankt für die geleistete Arbeit.” Rockenbauer, Kulturhistoriker und Sohn eines berühmten Fernsehmannes, war in der ersten Orbán-Regierung zwei Jahre Kulturminister (2000 bis 2002), die zwei Jahre davor Staatssekertär im Amt des Ministerpräsidenten.

Dass die Kündigung durchaus politische Gründe hatte, belegt u.a. Rockenbauers Unterschrift unter eine Solidaritätserklärung von 50 Künstlern und Intellektuellen für den – ebenfalls aus politischen Gründen – zurückgetretenen Leiter der Budapester Kunsthalle, Gábor Gulyás (Foto rechts).

Der 80jährige Chef der “Akademie der Künste” (MMA), György Fekete, befand eine (völlig harmlose) Ausstellung in der Kunsthalle als “abscheulich und nationalblasphemisch” hier mehr dazu. Hintergrund: die Kunsthalle soll ab 2013 von der früher privaten, heute halbamtlichen, “MMA” Akademie der Künste übernommen werden, wie viele weitere wichtige Kultureinrichtungen des Landes, verbunden mit entsprechender Finanzierung (derzeit 2,5 Mrd. Forint für das kommende Jahr) und inhaltlicher Gleichschaltung. Das nahm der – ebenfalls unter Fidesz-Ägide ernannte – Gulyás nicht hin.

Äußerungen von MMA-Vorstand György Fekete (Foto), wonach im Westen viele irrtümlich glauben, Imre Kertész sei ein Ungar… (soll heißen: Jude natürlich…), bewegten bereits zwei Mitglieder der erzkonservativen “Akademie” zum Austritt aus selbiger. Auch Unterschriften von MMA-Mitgliedern finden sich auf dem Solidaritätsschreiben für Gulyás.

Selbst konservative Kommentatoren sprechen mittlerweile von “chaotischen Zuständen” im staatlich gelenkten Kulturbetrieb, meinen damit aber nicht so sehr die staatliche Lenkung und ideologische Ausrichtung, sondern das organisatorische Drunter-und-Drüber. Andere beschweren sich wiederum darüber, dass die Proteste ins Ausland getragen werden, finden aber kein Wort für die ideologische Gleichschaltung in Ungarn und deren Auswirkungen auf die Freiheit der Kunst und die Bildung der kommenden Generationen.

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