Hungermarsch aus Protest gegen die Regierung Orban

Zum zweiten Mal hat in Ungarn ein Sternmarsch nach Budapest stattgefunden, mit dem Arbeitslose und Oppositionelle gegen die Regierung demonstrierten. Obwohl die Unzufriedenheit im Land steigt, blieb die Teilnahme unter den Erwartungen.

Wie geplant sind zum ersten Tag der Frühlingssession des ungarischen Parlaments am Montag die Protestzüge, die sich Anfang Februar aus verschiedenen Regionen des Landes auf den Weg gemacht hatten, in Budapest eingetroffen. Rund 1500 Personen versammelten sich am Nachmittag in der Innenstadt und marschierten dann gemeinsam vor das Parlament, wo sie eine Kundgebung gegen die Beschäftigungspolitik der Regierung von Ministerpräsident Orban abhielten. Viele der Protestierenden hatten die teilweise über 200 Kilometer nach Budapest bei Schnee und eisiger Kälte in einem Sternmarsch zu Fuss zurückgelegt. Die meisten sind Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die unter der Losung «Arbeit! Brot! Gerechte Löhne!» auf ihre prekären Lebensverhältnisse aufmerksam machen wollen.

Kritisierte Flat Tax
Initiiert und organisiert wurde dieser zweite sogenannte Hungermarsch von einem arbeitslosen ehemaligen Stahlarbeiter aus Miskolc im strukturschwachen Nordosten Ungarns. Eine entsprechende Aktion hatte bereits vor einem Jahr stattgefunden. Die oppositionellen Sozialisten unterstützen die Aktion allerdings, und einige Oppositionspolitiker schlossen sich in Budapest den Demonstranten an.

Eine der zentralen Forderungen ist die Anhebung des Lohns in den kommunalen Beschäftigungsprogrammen. Diese mit Steuergeldern finanzierten und von den Gemeinden organisierten Programme haben zum Ziel, Langzeitarbeitslose aus der Sozialhilfe hinaus wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Für die einfachen Arbeiten im sozialen Bereich, in Schulen oder als Erntehelfer verdienen die Teilnehmer der Programme umgerechnet nur rund 200 Franken pro Monat und damit weniger als die Hälfte des gesetzlich vorgesehenen Mindestlohns, der für diese Massnahmen ausser Kraft gesetzt wurde.

Darüber hinaus verlangen die Protestierenden die Abschaffung der im Jahr 2011 eingeführten und auch von der EU-Kommission kritisierten Flat Tax von 16 Prozent auf Einkommen und Gewinn, die vor allem die Bezüger geringer Einkommen überproportional belastet und für Orbans Kritiker Inbegriff der verfehlten Wirtschaftspolitik der Regierung ist. Tatsächlich hat die Armut in Ungarn in den vergangenen Jahren zugenommen. Laut einem im Dezember veröffentlichten Bericht der Europäischen Union sind 31 Prozent der Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Im Jahr 2008 waren es noch 28 Prozent gewesen. Noch alarmierender ist die Aufschlüsselung des Werts: Fast ein Viertel der ungarischen Bevölkerung leidet demnach unter erheblicher materieller Entbehrung und kann sich elementarste Grundbedürfnisse nicht leisten.

Unter den Erwartungen
Trotz der verbreiteten Unzufriedenheit mit der Regierung blieb die Teilnahme am diesjährigen Hungermarsch unter den Erwartungen der Organisatoren, die von 5000 bis 10 000 Protestierenden ausgegangen waren. Im vergangenen Jahr hatten immerhin noch 3000 Personen mobilisiert werden können. Regierungstreue Medien betonten, dass die Aktion in erster Linie von den Sozialisten organisiert und finanziert worden sei, was von den Teilnehmern als zynische Provokation beklagt wurde.

>>nzz.ch

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